Donegal: mein erstes Mal

Poison Glen, May 2025. Copyright: pat

1981 kam ich zum ersten Mal nach Donegal. Ich war gerade 18 Jahre alt geworden und hatte noch nicht viel von der Welt gesehen. Urlaub war in meiner Kindheit selten, meine Eltern waren Arbeiter. Und wenn wir irgendwohin fuhren, dann „pauschal“. Die Costa Brava war das Exotischste, was ich bis dahin gesehen hatte.

Und dann das! Wir trampten durch eine einsame Welt von Bergen, Wasser und Mooren, in der die Zeit stillzustehen schien. In der Weite der Landschaft standen nur vereinzelt einsame Häuser und hier und da die Ruine eines verfallenen Cottage. Als wir von Nordirland kommend den Fuß des Errigal umrundeten, stockte mir der Atem: Unter uns erstreckte sich ein Tal von unirdischer Schönheit. So etwas hatte ich noch nie gesehen. An einem Ende erhoben sich die Steilwände des Poison Glen, als hätten die Götter die Welt dort zugemauert. Am anderen Ende des Tals, hinter dem glitzernden See, floss der Gweebarra in zahllosen Windungen hinab zur See.

Die See! Blaues, wildes Wasser, winzige Inseln schützten die Küste, an der endlose Sandstrände auf Füße warteten. Kein Mensch weit und breit. Für mich, der ich im pickepacke-engen Ruhrgebiet aufwuchs, war die Einsamkeit der Landschaft fast schmerzhaft schön.

Tullan Strand between Bundoran and Ballyshannon, May 2025. Copyright: pat

Ich habe einmal ein kurzes Stück über diese erste Begegnung mit Donegal geschrieben. 2014 rief die „Irish Times“ ihre Leserschaft auf, Orte in Irland zu benennen, an denen man die wilde Seite des Landes erfahren kann. Ich schrieb etwas und schickte es hin, und die Zeitung überließ es tatsächlich mir, Donegal zu loben:

„Aus einem städtischen, überbevölkerten und industriellen Gebiet in Deutschland kommend war der Nordwesten Donegals für mich der abgelegenste und einsamste Ort der Welt. Das Hochland von Donegal ist ein Juwel unter den vielen wertvollen Orten Irlands. Auf dem höchsten Punkt von Muckish zu sitzen und auf das Meer und die Tory-Insel hinunterzublicken, wird immer eine der erhabensten Erfahrungen meines Lebens sein: pure Einsamkeit, die man mit niemandem außer dem Wind und dem Nieselregen teilt. Aber wen könnte das da oben kümmern?“

Es hat mich süchtig gemacht, nie losgelassen. Ich habe Donegal über 40 Jahre besucht, zeitweilig im Nordwesten gelebt, ich habe hier Liebe und Familie gefunden. 2022 kauften wir unser kleines Haus in Ballyshannon. Keine Vernunftentscheidung, denn das Geld dafür hatten wir keineswegs übrig. Aber auch keine Entscheidung, die ich nur eine Sekunde bereut hätte.

Von Ballyshannon aus erkunden wir seitdem den Nordwesten, den wir eigentlich so gut zu kennen glaubten. In den Süden, ans warme Mittelmeer, fahre ich noch immer gern. Aber der Ort, wo es mich immer wieder hinzieht, liegt hier oben in Donegal. Wahrscheinlich würde ich noch einmal 40 Jahre brauchen, um genug davon zu bekommen.

Glenveagh, May 2025. Copyright: pat